Mittwoch, 30. Januar 2013

New York


New York 


















Freitag, 18.01.2013
1. Versuch

Mein Taxi am Flughafen hält neben einem Krankenwagen, dessen Blaulicht noch leuchtet. Im Flughafen sehe ich Sanitäter, die einer Frau die Beine hoch halten, damit ihr Kreislauf wieder in Fahrt kommt. Sie ist in der Schlange umgekippt. 
Moment, warum läuft eine Schlange mit hunderten von Menschen hier quer durch den Flughafen?
Ich bin nach nur 4 1/2 h Schlaf zu müde, um darüber nachzudenken und laufe zum Check In. Die Dame von British Airways kennt den Grund: STREIK! 
Das Sicherheitspersonal ist heute morgen im Bett geblieben und hat sich gemütlich noch mal umgedreht. Von 20 Kontrolllinien sind nur 2 geöffnet.
New York, New York, der amerikanische Traum träumt sich eben nicht von selbst.
Am Service Schalter wird mein Flug von 7.15 auf 11.35 Uhr umgebucht. Ein Mitarbeiter von British Airways fragt die Wartenden, ob sie "schon informiert" wurden. Netter Schachzug aber leider auch ein gefundenes Fressen. Jetzt prasselt ein Beschwerdeschwall auf den kleinen Mann ein und er schrumpft noch 2 cm. 
Ich bin kurz davor mich über die sich Beschwerenden zu beschweren. Meckern macht's ja auch nicht besser und die, die den Groll verdient haben, schalten grad zum 7ten Mal auf Snooze. 
Ich aktiviere meine buddhistische Gelassenheit und setze ein inneres Lächeln auf. Das hier ist immernoch besser als in einer kleinen thailändischen Blechhütte alias Bushaltestelle mit Menschen, die man nicht versteht, auf einen Bus zu warten, von dem man nicht weiß ob er überhaupt kommt. Alles wird gut. Omm.

Bevor mir gleich die Beine in die Luft gehalten werden, hole ich mir schnell eine Cola und ein Brötchen.
Der Eingangsbereich des Flughafens hat sich wahrlich in ein altes Nokia Telefon verwandelt. Gespielt wird Snake! 
Ich laufe lange, bis ich das Ende der Schlange erreiche. Schön wie ordentlich deutsch wir alle aufgereiht stehen. In Südostasien wäre das ein heilloses Durcheinander. Auf Kuba würde man ständig die Frage "El ultimo?" nach dem letzten in der Reihe stellen, damit man sich schön chaotisch neben seine bevorzugten Gesprächspartner stellen kann, um sich am Ende wieder nach Reihenfolge aufzustellen. 
Wir Deutschen warten lieber schweigend und schauen auf Hinterköpfe oder Handys.

Der Business Kasper in mir schreibt meinem Kollegen Sven eine E-Mail, dass ich noch bis 11.30 Uhr erreichbar bin, falls er Fragen zu dem Business Case hat, den ich ihm gestern Abend geschickt habe. Ich bin mir bei der Abzinsungsgeschichte nicht so sicher...Zahlen sind eben nicht meine Freunde. 
Die Antwort kommt prompt: in Madrid am Flughafen schafft das Bodenpersonal auch Hundert-Meter-Schlangen ohne zu streiken... Business Kasper kaspern eben nur über die wichtigen Themen. Na gut. 

In der Schlange vor mir steht eine Familie, die nach London will. Die pubertierende Tochter ist bockig, weil es ausnahmsweise nicht nach Ihrer Nase geht. Die Mutter spielt die Situation runter: "Is doch alles nur halb so schlimm. Nachher gehen wir erst mal shoppen." Fünf Minuten später schwingt sie um und stimmt in den Beschwerdechor der vor ihnen Wartenden ein:"Eine Frechheit ist das." 
Ich hoffe sie findet in London etwas Windfestes...

Hinter mir stehen zwei weibliche und ein männlicher "jung gebliebene" Enddreißiger, die mit ihren dunkeln kastigen Brillen stark nach Werbebranche aussehen. Der Typ hat eine Mordsfahne, er war gestern noch feiern und holt erst mal eine Runde Streuselteilchen für alle. 
Als die blonde Kollegin um die Ecke verschwindet, fangen er und die Schwarzhaarige wild an zu knutschen.

Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und starte die Kino.de App auf meinem Handy. Nach unzähligen Trailern und einer enorm gewachsenen "to watch"-Liste kann ich immerhin das Eingangsschild der Sicherheitskontrolle erkennen. Mittlerweile sind 4 Zugänge offen. Die freundlichen Herren der Bundespolizei sind eingesprungen und schieben die Taschen durch die Röhre. 
Nach 2 1/2 Stunden habe ich es endlich geschafft und suche mir eine freie Steckdose am Gate, um den IPhone Akku aufzuladen.

Kurzzeitig durfte ich dann tatsächlichden Platz 18F im Airbus anwärmen. In London Heathrow, meinem Zwischenstop, ist dank 3 Flocken "Schneechaos" und sie können nur wenige Landeslots öffnen. Unser Landslot ist nun um 17.20 Uhr Londoner Zeit.
Nachdem wir also 2 Mal die Wahl zwischen Nuts, Crisps or Biscuits hatten, sitzen wir wieder auf den grauen Plastikstühlen an Gate B31 und warten.

Ein Engländer mit spitzen hellbraunen Lederschuhe zieht nervös an seiner Elektrozigarette, ein Koreaner beschwert sich am Telefon über die freakin' german electric plugs, in die sein Adapter nicht passt. Die Deutsche Frau mit pfiffiger Kurzhaarfriese greift zu einem liegen gelassenen Modemagazin und stellt fest, dass es auf Russisch ist.
Am Nebengate wartet ein Flieger nach Moskau. Im Minutentakt kommen Passagiere angerannt, die sich außer Atem außerordentlich darüber freuen, noch an Board zu können. Immerhin ein paar fröhliche Gesichter...

Die Schlange der sich Beschwerenden am British Airways Schalter am Gate wird langsam kleiner. Vielleicht sollte ich auch mal gehen. 

Erst Mal rufe ich die American Airlines Service Line an. Dort erfahre ich, dass ich keine realistische Chance habe, heute noch nach NY zu kommen. Dafür kann ich kostenlos umbuchen mit einem Hinflug bis zum 10.02.
Resigniert lasse ich meinen Koffer aus der Maschine holen und schlurfe mit einem 15 € Verzehrgutschein zum Sushi Restaurant, wo ich mir eine Bento Box für 19,50 € kaufe. Kavier in Hamburg statt in NY.
Nach einer halben Ewigkeit wird mein Koffer in der Gepäckabholung neben das Band gestellt und der Bus Richtung Teufelsbrück fährt mich nach Hause, wo ich hundsmüde in mein Bett falle. Zumindest im Traum sehe ich Simone und die Freiheitsstatue...

New York - 2. Versuch
Dienstag, 22.01.2013

Dank einer kooperativen Airline (zumindest am Schalter in HH) und einem vertrauensvollen Chef ("Hanne, du weißt am besten, welche Deadlines du einhalten musst und wenn du mir sagst, dass du Urlaub nehmen kannst, dann ist das so.") konnte ich meinen Urlaub verschieben und sogar um einen Tag verlängern. 

Vier Tage später betrete ich nun wieder den Hamburger Flughafen, beobachte wie ein Mitflieger in der Priority Line seine Reisetasche mit Panzerband und Kabelbinder sichert und bin in weniger als 5 Minuten durch die Sicherheitskontrolle. 
Am Geld-Wechsel-Schalter weiß ich nicht, was ich antworten soll, als mich der Mitarbeiter fragt, ob ich 9, 19 oder 29 1$ Scheine haben möchte. Ich sage 9. Schließlich ist Amerika ja nicht Südostasien, wo niemand mehr als 5€ wechseln kann. 
Simone schreibe ich, dass es nun los geht und dass sie einen Termin beim HNO Arzt machen soll. Seit gestern habe ich Ohrenschmerzen, die ich schon fleißig mit ekeligen Tröpfchen aus der Apo bekämpfe, aber man weiß ja nie.
Die Apothekerin hat mir noch druckausgleichende Ohrstöpsel aufgeschwatzt, die jetzt verhindern, dass ich während des Flugs Musik höre. 
Brauch ich auch gar nicht, in den British Airways Fliegern ertönt lautes Klassik-Gedudel ohne Höhen und Tiefen. Irgendwie kann ich mir kaum vorstellen, wie wir starten sollen, bei dem ganzen Schnee, der in der letzten Nacht gefallen ist. Naja, erst Mal Tragflächen enteisen und dann die Daumen drücken. Hamburg ist ja nicht Heathrow! 
*
Dieses Enteisen dauert ewig! Ich frühstücke in der Zwischenzeit eine halbe Tafel weiße Schweizer Schokolade, die ich vom Bodensee Besuch bei Inken und Max vorletztes Wochenende mitgenommen habe und erinnre mich daran, dass ich als Kind gesagt habe, ich könnte niemals eine ganze Tafel Schokolade in 1 Stunde essen, wie es meine Freundin Britta konnte. Schade, diese Toleranzgrenze hat sich leider erhöht.

Soll diese Musik die Leute eigentlich beruhigen? Hat da irgendein schlauer Wirtschaftspsychologe ne Studie zu publiziert? Mich macht sie eher aggressiv und brennt sich in mein Hirn wie die fröhlichen Klänge eines DVD Menüs, die sich alle 1 1/2 Minuten wiederholen.
Mecker, mecker. Scheint so, als wäre ich heute mit dem falschen Ohr aufgestanden. Wo ist der DJ der guten Laune, wenn man ihn so dringend braucht!?
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Ohrstöpsel zum Druckausgleich im Flugzeug bringen jedenfalls gar nichts und gehören in das Regel mit Dingen, die die Welt nicht braucht, aber zu brauchen glaubt, direkt neben Fußcreme, Rendelmaschinen, USB-Lampen zur Beleuchtung der Laptop-Tastatur, Doppelnamen, Milch mit 0% Fettanteil und Luftlöcher... Hoppsaaasa. 
Wenn man mal ausblendet, dass ein 480 km/h schnelles wackelndes Flugzeug in 6,5 km Höhe saugefährlich werden kann, dann machen Luftlöcher sogar Spaß. Dann fühlen sie sich fast so an, wie wenn der Wagen einer Achterbahn aus der parkenden Position herausruckelt und die steile Gerade hinauf fährt, bevor es mit einem Affenzahn herab in den Looping geht. Jiieeehaaa.
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Im Flieger von London nach New York bestätigen sich einige Klischees: der amerikanische Steward wiegt mindestens 150 kg. Ich frage mich, ob er seinen Job wirklich mag. Er wird doch sicher ständig blaue Flecken bekommen, weil er überall anstößt. 
Der große Mann mit dem schwarzen langen Mantel und dem schwarzen Hut mit breiter Krempe, unter dem dunkle lange Schläfenlocken glänzen, liest ein kleines vergilbtes Buch mit dunklem Umschlag, hauchdünnen Seiten und vermutlich hebräischen Schriftzeichen. 
Hallo Kindle-Erfinder: hast du auch was auf Hebräisch? Oder gehören Kippa-Träger nicht zu deiner Zielgruppe?
In New York leben schließlich 1,75 Mio. Juden, was die größte jüdische Gemeinde außerhalb Israels darstellt. 
Als zu Krankenhauszeiten um 11.30 Uhr der Lunch Service kommt, entscheidet er sich weder für Chicken, noch für Pasta. Er hat etwas anderes zu tun. Er zieht sein Jackett aus und ich sehe, dass er einen schwarzen ca. 2 cm breiten Lederriemen von der Schulter bis zum Handgelenk um seinen linken Arm gewickelt hat.  Aua was ist das denn? Das muss doch weh tun!
Der rechte Arm wird genauso verbunden sein, denn über dem Nacken führen 2 Stränge zusammen, kreuzen sich und werden von ihm über seinen Schädel gezogen. Dafür muss er den breiten Hut kurz abnehmen. Der große Hut ist bestimmt super gegen den eisigen Wind der Klimaanlage! Es sollte Sombreros im Flugzeug geben! 
Mein orthodoxer jüdischer Mitflieger klemmt den Riemen an der Stirn fest und genau an dieser Stelle ist ein kleiner schwarzer Kasten am Riemen befestigt. Auf den ersten Blick sieht er aus wie eine Go Pro Kamera, aber als Passagier fliegen ist nun wirklich keine Extrem Sportart, bei der man freihändig filmen will. Also wird es sich wohl um etwas anderes handeln. Er senkt den Kopf und liest in seinem Buch, steht auf und lässt ein Bündel weißer Fäden aus den Seiten seines Jacketts bis zu den Knien hängen. 
Wieso sind mir diese Religion und ihre Riten so fremd, obwohl sie einen wesentlichen Teil der deutschen Geschichte ausmachen? Ich habe das Gefühl, ein Buddhistischer Mönch würde mir weniger Rätsel aufgeben. 
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Mir ist kalt und ich decke mich gleich mit 2  hautfarbenen Filz-Decken zu. Die sind so hässlich, die steckt sicher niemand ein. 
Dabei denke ich über mein Gerichtigkeits- und Ehrlichkeitsempfinden nach. Ich finde es total ok, einer Fluggesellschaft ihre Decke zu klauen, in der einen Stunde Aufenthalt in London das Vodaphone Internet Paket für 24 h und 2 € auf die Rechnung meines Arbeitshandys zu buchen, nur um Whats App Nachrichten zu schreiben, oder heimlich am Flughafen einen Sticker vom Modelabel Secret Pal meiner Mitbewohnerin auf die Verkleidung einer Steckdose zu kleben. Bei letzterem empfinde ich sogar eine heimliche Freude.
Aber wenn ich ein Handy oder Portemonnaie finden würde, würde ich niemals Geld daraus nehmen und immer versuchen, den Besitzer ausfindig zu machen. Genauso gebe ich zu hohes Wechselgeld zurück und hinterlasse öffentliche Klos sauber. 
Es scheint so, als wäre ich aufrichtig, wenn meine Tat direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden einer Einzelperson hat, kann ich jedoch nicht direkt festmachen, wem ich schade, drückt mein schlechtes Gewissen auch mal ein Auge zu.
Interessant, wer kennt jetzt den Fach Termini für dieses  Verhalten? 
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Ich schaue den wirklich guten Film "The Perks of being a wallflower", in dem es um Freundschaftsbeziehungen an der High School geht, und behalte ein Zitat, das so viele dysfunktionale Beziehungen erklärt: "You accept the love, you think, you deserve." Deshalb bleibt sie/er also bei diesem Arsch/dieser intriganten Kuh. 
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In New York gelandet, fragt mich der Officer am Immigration ob ich auf Facebook bin. Macht der Witze?! Die mitgebrachten Äpfel und das Brot verheimliche im dem Zoll und mache mich kurz auf einer riesigen "Familien Toilette" in Begleitung von Jazz Musik frisch. Dann schreite ich durch die Flughafentür und mir weht ein eisiger Wind entgegen. Die -6 Grad fühlen sich eher wie -10 an. Dafür scheint die Sonne und der Himmel ist strahlend blau. 

Ich muss den Air Train nach Jamaica nehmen, sehr sympathisch! Da ertönen gleich karibische Klänge im Soundtrack meines Lebens. 
Nur wo kaufe ich das Ticket? Ich frage den Mann, der grad die Station fegt. Er spricht nur Spanisch und ich bekomme es tatsächlich hin "wo kaufen Ticket?" zu stammeln.
Gut, die Lernsessions auf Kuba waren nicht umsonst. 
Das Ticket muss ich erst in Jamaica kaufen. Noch sympathischer! Ich stelle mir einen grinsenden Rastafari im Tickethäuschen vor.
Als ich nach 45 Minuten U-Bahn-Fahrt in Rego Park, Queens ankomme, habe ich mir einen ersten Eindruck gebildet, der da lautet: NY ist dreckig und kaputt.
Überall liegt Müll rum, Graffiti ziert jede freie Wand und der Putz bröckelt. Die Gehwege sind aufgesprungen und löchrig.  In der U-Bahn-Station gibt es nur Schilder mit den Namen der verkehrenden Linien, eine elektronische Leuchttafel mit genauen Informationen sucht man vergebens, genau wie Rolltreppen oder Aufzüge. Was machen denn Mütter mit Kinderwägen oder die Senioren Rollator Gang? 
In den Straßen stapeln sich Berge von schwarzen Müllsäcken, die einen sicher auffangen, wenn bei einem Gangsterkampf auf den Dächern von NY ein Mafiosi vom Dach geschubst wird. 
Simone sagt, dass die Taxifahrer teilweise nicht den Weg kennen, sie aber einfach los fahren. In ihrer Wohnung ist es super heiß, die Heizkörper lassen sich nicht regulieren. Das klingt alles eher nach Entwicklungsland als nach fortschrittlicher Weltmacht. 

Als wir an der 23rd Street aus der U-Bahn steigen und das Empire State Building sehen, das in der Nachbarschaft des Chrystler Buildings in der Dunkelheit strahlt, kann ich mir das schon eher wieder vorstellen. Die Straßen sind riesig, die Menschen super stylisch und die Geschäfte geschäftig. Wir laufen am Flat Iron vorbei, einem Gebäude, dass wegen dem flachen Dach "Bügeleisen" getauft wurde. 
Wow New York ist wirklich beeindruckend! 
Wir sind durchgefroren und schlüpfen durch die kleine Glastür in das Thai Restaurant "Pure", wo wir mit einem freundlichen "Sawadekaaaa" begrüßt werden.
Die Holzverkleidung und die modern rustikalen Möbel sehen eher nach einem italienischen Restaurant aus. Aber zum Glück gibts hier ganz authentische, glutamatfreie Thai Kost. Wir essen beide eine Nudelsuppe mit Gemüse und Fleisch bzw. Fisch, die total köstlich ist. Wäre das Pure in Hamburg, würde ich es sofort zu meinem Stammlokal machen. In Amerika gibt es übrigens Leitungswasser gratis standardmäßig zum Essen dazu, dafür kostet ein Glas Rotwein 9$. 
Als wir gegen 21 Uhr wieder im Woodhaven Boulevard 61-61 (ja, kein Tippfehler) ankommen, riecht es auf dem Flur abartig nach Fisch. "Was ist das!?" frage ich entsetzt. Simone schaut, als kenne sie die Antwort: "Pass auf, es könnte sein, dass das meine Mitbewohnerin ist." sagt sie und und zieht eine Grimasse, "Die ist Philippinin". 
Als wir die Wohnungstür öffnen, bestätigt sich die Vermutung. Lany hat gekocht. Ich verstehe das nicht! In Südostasien hats doch immer super lecker geschmeckt und die Philippinen gehören doch dazu. Ich bin entsetzt. Zwar habe ich in Vietnam eine Suppe mit fermentiertem Fisch verschmäht und auf den Fleisch- und Gemüsemärkten oft die Luft angehalten, aber sowas habe ich noch nie gerochen! Ich fange an zu würgen und wir retten uns schnell in Simones Zimmer und machen die Tür zu. "Morgen früh um 7 brät sie wahrscheinlich Speck, ohje ohje“. Simones dritte Mitbewohnerin Annlise aus Rumänien sprüht mit Raumerfrischer in die Luft, ein Tropfen auf den heißen Stein. 
Simone erklärt mir, dass sie und Anneliese mittlerweile auch in den Putzboykott gegangen sind, da Laney nicht putzt. Sie ist es noch aus den Philippinen gewöhnt, dass dies von Angestellten erledigt wird. Tja ich bin scheinbar grad zur falschen Zeit am falschen Ort. 
*
Ein bisschen nützes und unnützes Wissen aus meinem Dumont-Reiseführer (wäre ich dem Lonely Planet nur treu geblieben - und alles wegen ein paar bunter Bilder!)

·         40 % aller New Yorker haben nicht-amerikanische Vorfahren, von denen viele als Immigranten auf Ellis Island ankamen. 
·         Durch den Terroranschlag am 11.09. kamen 2569 Menschen um. 
·         Der Name Brooklyn geht auf die Holländische Gemeinde mit dem Namen Breukelen zurück. 
·         Mitglieder der schwarzen Mittelklasse heißen "Buppies" (statt "Yuppies")
·         Die New York Times wohnt seit 2007 nicht mehr am Times Square sondern im NYT Tower
·         Vor dem Chrysler-Building sind Wasserspiele in Form von Kühlerhaben der Modelle um 1920
·         Wer sich im Kaufhaus Macy's durch Vorlage des Reisepasses als Ausländer outet, bekommt 10% Rabatt
·         Das Empire State Building gelang erst beim 16. Versuch - Plan K
·         Das indische Viertel heißt nicht etwa Little India sondern Curry Hill
·         Wer viele Wolkenkratzer baut, muss sich viele Gedanken um die Rechte am Luftraum machen
·         Im Central Park kann man für 7500 $ Bänke adoptieren. Die Ranger dürfen aber nix machen, wenn jemand drauf sitzt
·         Der Central Park ist 2x so groß wie Manhattan und man kann sich in ihm Schlittenhunde ausleihen

Mittwoch, 23.01.2013
Moma, Century 21 und NY Ballet

Als ich aufwache, ist es noch stockduster und gerade mal 5 Uhr morgens. Mist, der Jetlag lässt grüßen. Ich döse etwas vor mich hin. Zum Glück wacht Simone auch früh auf. Jetzt erzähle ich erstmal. Gestern war ich zu müde dazu, gestern habe ich nur zugehört, kommentiert und gefragt. Also los gehts: der Job, die Stadt, die Liebe, die Freunde und die Familie. Zwischendurch frühstücken wir gesund amerikanisch Schokomousse, Zuckerwatte und Ritter Sport. 
Nach 3 Stunden sind die wichtigsten Dinge gesagt. Ich mache mich allein auf den Weg in die Stadt. Simone muss noch 1000 Dinge organisieren: der Handyvertrag, das Fahrrad, die Postkarten, die Abendplanung. 

Ich steige in die Linie E der Subway, die leider heute den F Weg fährt und komme viel zu spät am World Trade Center an. Ich hatte für 13 30 Uhr ein Ticket gebucht, jetzt ist es schon fast 14 Uhr und sie lassen mich nicht rein. Ärgerlich.
Glücklicherweise ist das Century 21 nicht weit entfernt und ich stürze mich in den Shopping Himmel. Das mehrstöckige Kaufhaus bietet ähnlich wie TK Mexx in Deutschland Designer Klamotten für einen kleinen Preis an. Ich bin begeistert von den Ständern mit Handtaschen von Liebeskind Berlin, die höchstens halb so viel kosten, wie in Deutschland. 
Im Endeffekt kaufe ich jedoch nur eine graue Mütze mit Fellbommel für 17 statt 78$. Ich bin tatsächlich ziemlich rational heute und gestehe mir ein, dass ich die Tasche gar nicht brauche. Wow, Schulterklopfer. 
Um 15 Uhr treffe ich mich mit Simone im Museum of Modern Art. Sie kann mich umsonst dort rein schleusen, da die PR Abteilung der Lufthansa eine Kooperation mit dem Moma hat. Wir gehen ins Restaurant und essen Mittag. Ich bestelle Tortellini mit Chicken, was eher eine Nudelsuppe ist mit Pilzen, roten Bohnen und Spinat. Schmeckt aber total gut. 
Simone muss wieder los: Kamera reparieren, Reiseführer für Hawai kaufen und und und.
Ich arbeite mich von unten nach oben, sehe mir Fotographien von Ai Weiwei und Bilder von Andy Warhol an. Die Ausstellungsstücke sind wirklich beeindruckend! Überraschender Weise sind viele deutsche Künstler ausgestellt. 
Als ich in die fünfte Etage möchte, um mir die großen Dalis und Van Goghs anzuschauen, laufe ich verwirrt von Rolltreppe zu Rolltreppe und stelle fest: sie fahren alle nur nach unten. Als ich den Knopf des Aufzugs drücke, macht mich eine Mitarbeiterin darauf aufmerksam, dass der Aufzug abgestellt ist, da das Museum in 15 Minuten, also um 17.30 Uhr schließt. Mir erscheint der weiße Hase aus Alice im Wunderland, der mit seiner Uhr vor meinem Gesicht hin- und herfuchtelt und ruft: zu spät, zu spät, du bist zu spät! 
In New York rast die Zeit. 
Getreu dem Motto "Exit through the Guftshop" lande ich im Moma Shop und kaufe mir im Vorbeigehen ein Notizbuch, dessen Seiten aus Fotos vom Himmel bestehen. 
Langsam bummel ich über die Fifth Avenue, vorbei an Prada, Gucci, Fendi und dampfenden Gullideckeln. Ein kleiner, gedrungener Polizist des NYPD bewacht einen Ampelübergang und zieht seine Schultern so hoch, dass es aussieht, als würde sein Kopf direkt auf den Schultern sitzen, so kalt ist es.
Ich erreiche den Central Park, dessen Größe ich in der Dunkelheit nur erahnen kann. Es geht gen Westen zum Columbus Square. An dem eine Hallal Hot Dog Verkäufer in seiner Bude friert. Meine Augenlieder sind unglaublich schwer und ich dope mich mit Red Bull. In dem Kiosk begutachte ich die unterschiedlichen Lebensmittel. Es gibt von allem unzählige Variationen: M&Ms mit dunkler Schokolade, mit Mint, mit Himbeere, mit Peanutbutter, mit Pretzel, mit Rasberry etc.
Die Amis stehen total auf unser deutsches Brezelgebäck und verhunzen es, indem sie es mit Käse füllen. Davon nehme ich mir eine Tüte zum Snacken mit. Sieben kleine Brezel-Käse-Klumpen, die übrigens mit "Nacho-Käse" (wer kennst sie nicht, diese Schweizer Spezialität) gefüllt sind, haben schon 5g Fett. Auf der Rückseite der Tüte steht, dass diese Kalorien Bombe ein perfekter "Hunger Management Snack" sei. Was für eine einzigartige Wortkreation. Das ist doch irgendwie schizophren: in der U-Bahn hängen Poster, die ein Ernährungsprogramm der Regierung anpreisen, es gibt 99% fettfreien Ziegenkäse, zuckerfreien (nicht den hellblauem zuckerreduzierten) Redbull und Frozen Yoghurt Plakate, die versprechen, dass man mit eben diesen "smart skinny" werden kann und dann ist die totale Kalorienbombe ein Instrument zum Hunger Management?
In NY sieht man allerdings wenig übergewichtige Menschen. Die Stadt ist eben sehr europäisch. 
Ih erinnere mich an die Brasilianer und Kubaner, die gern fettig und viel, aber dafür relativ unverarbeitete Lebensmittel essen, dadurch ziemlich dick aber total stolz auf ihre Kurven sind. Die südamerikanische Gesinnung kommt mir erheblich gesünder vor und ist mir definitiv sympathischer. 

Ich bin eine halbe Stunde zu früh am Treffpunkt und setze mich daher in die Lobby der gegenüber liegenden Philharmonie. Die USA haben definitiv ein Heizproblem. Hier sind es mindestens 35 Grad und ich pelle mich, so gut es geht, aus meinem Zwiebellook (3 Leggins, 2 Paar Socken, Top, Bluse, Kapuzenpulli, Fellweste, Wintermantel, Mütze, Handschuhe, Schal). 
Selbst im Moma war in einigen Räumen Tropenluft und anderen arktische Kälte, und das liegt sicher nicht an der Erzeugung bester Konservierungsverhältnisse für die Bilder.

Um 19 Uhr verlasse ich die philharmonische Sauna und gehe  am Springbrunnen vorbei über den großen Platz in das David H. Koch Theater. Simone ist schon dort und wartet mit den Karten in der Hand auf mich. Neben ihr stehen ihre Praktika-Kollegin Raffi und deren Schwester. Heute Abend schauen wir uns eine Ballettaufführung mit 3 verschiedenen Stücken von Tschalkowski an. Ich war noch nie zuvor im Ballett und bin beeindruckt von dem samtrot- goldenen Saal. Wir sitzen in einer Loge im vierten Stock und schauen gespannt auf die Bühne, die noch durch einem schweren goldenen Vorhang verborgen wird. "Taschen unter die Sitze, Jacken runter von der Reling, keine Fotos und nicht essen" ermahnt uns eine ehrenamtliche Aufseherin. Wie soll ich denn da effizientes Hunger Management betreiben!? Wir stopfen uns heimlich die muffigen Analog-Nacho-Käse-Bretzel-Mutanten in den Mund.

Die Vorstellung wird mit einem Auszug aus Schwanensee eröffnet. Mein Gott, ist das schön! Der weiße Schwan tänzelt über die Bühne, lässt sich in die Arme ihres Geliebten fallen und wir dann wieder von dem schwarzen, riesigen Feder-Ungetüm zurück geholt. 
Es ist mir unerklärlich, wie ein Mensch so grazil und leichtfüßig auf seinen Zehenspitzen über die Bühne hüpfen kann. Die Tänzer haben eine unglaubliche Körperspannung, Kraft und Flexibilität, dafür habe nichts anderes als pure Bewunderung übrig. 
Die Bewegungen passen haargenau zu der vom Orchester im Orchestergraben gespielten Musik und ich schreibe auf meine gedankliche Lebens-To-Do Liste: "Öfter ins Ballett gehen!" Und "Mehr klassische Musik hören!".
Zurück in Rego Park führe ich mir noch einen Cocktail aus Emergancy Drink, Wick Medinight, Nasenspray und Nyquill zu Gemüt und schlafe ein, in New York! 

Donnerstag, 24.01.2012
China Town, Soho, Moma die zweite und Bourlesque in The Box

Es ist so kalt, dass die Wassertropfen, die aus meiner Sprudelflasche quellen als ich sie im Gehen öffne, auf meinem Mantel gefrieren. In der U-Bahn halte ich sie zuerst für Dreck, bevor sie zu tauen beginnen.
Das Wasser ist nur getropft, weil ich abgelenkt war. Mein Blick klebte an drei Straßenarbeitern, die mit kleinen Müllzangen, wie ich sie noch vom Pausendienst aus der Schulzeit kenne, lustlos im Abfall stochern, der auf dem grauen Grashügel entlang des Woodhaven Boulevards vor dem Queens Center liegt. Ich kann ihre Lustlosigkeit sehr gut verstehen. Diesen Berg mit diesen Mitteln zu bezwingen ist ungefähr so wie mit einer Pinzette einen Pferdestall auszumisten.
New York, respektive Queens ist dreckig und zugemüllt. In dem CVS Markt hat der Verkäufer die Plastiktüte so schnell um mein Wasser gehüllt, dass ich sie gar nicht mehr Ablehnen kann. Der CVS Markt ist eine Mischung aus Apotheke, Drogerie und Supermarkt. Die Pillen zur Rauchentwöhnung stehen im Regal direkt neben den Zigaretten.

Je mehr ich andere Länder kennen lerne, desto mehr weiß ich Deutschland zu schätzen. Dosenpfand und kostenpflichtige Plastikaschen sind definitiv sinnvoll. "Man schätzt nicht Wert, was man hat, solang man nicht merkt, was man hat." kommt es mir in den Sinn, auch wenn sich Max Herre damit eher auf die Liebe bezieht. 
Neben dem Umgang mit Lebensmitteln, der Umwelt und Energie, würde mich an den USA das schlechte Gesundheitssystem stören. Simone hatte mir einen Termin beim Allgemeinarzt wegen meinen Ohrenschmerzen gemacht. Dafür hätte ich 150 $ zahlen müssen. Wie leisten sich das Menschen ohne Krankenversicherung?
*
In der U-Bahn, die mit ihrer silbernen, geriffelten Verkleidung wie ein riesiger Rimowa Koffer aussieht, sehe ich wieder ein Plakat der Regierung gegen Überernährung: "You have to walk 2 1/2 miles from Randall's Island Park to the Apollo Theater to burn off the calories from ONE 32oz.
SPORTS DRINK. (Sugary drinks can bring obesity, type 2 diabetes and heart disease). 
Unter dem Plakat sitzt ein Obdachloser mit Rauschebart. Er hat seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und schläft. In seinen kaputten Nike Airs stecken seine bloßen Füße. Socken trägt er keine. Ich hoffe, jemand bringt dem Kerl ab und an einen Kaffee in die Bahn, bei den Temperaturen frieren ihm sicher sofort die Zehen ab, wenn er die Tunnel des Untergrunds verlässt.

Ich steige an der Canal Street in China Town aus und freue mich gleich über das bunte Farbenchaos, dass an den Shop Fassaden hängt. Überall gibt es die gleichen kitschigen Souvenirs, Fake Rolex und I love NY - Utensilien.
"Come to my shop, sale only today" schallt es vom Gehweg.
Die Chinesen ziehen ihr Freiluft-Shop System durch, egal bei welchem Wetter.
So langsam knurrt mein Magen, ich setze mich in einem Chinesischen Supermarkt mit integriertem Restaurant  an die Theke und bestelle eine Sushiplatte. Neben mir schlürft eine chinesische Familie Nudelsuppe. 
Das Prinzip lautet Frontcooking. Hinter den dampfenden Töpfen werkeln drei Junge Chinesen mit NY Cappies. Die Küche ist ziemlich chaotisch aber sauber. Von rechts hinter dem Kühlregal erklingt fröhlicher Asiapop. Über der Bar hängt ein Fernseher, auf dem eine Chinesischer Musikkanal gegen die Popmucke anschreit. Hier ist es nicht schön, aber es gefällt mir! 
Das Sushi ist super. Die Fischstreifen sind dick und frisch. 
*
Von Chinatown laufe ich über die Elisabeth Street durch Little Italy nach Soho. Hier reiht sich Boutique an Boutique.  Mir gefallen auf Anhieb einige Kleider. Viele sind stark reduziert, z.B. Von 300 auf 170 $ und dann noch mal um 50%. Mein Shopping Herz schlägt in den höchsten Tönen. Nur leider höre ich es nicht, da es unter einer Schicht aus Top, T-Shirt, Longsleeve, Pulli, Schal und Mantel verstummt. Ich bin schlichtweg zu faul, mich jedes Mal aus 5 Schichten zu pellen und begnüge mich daher mit Schaufensterbummeln. 
In einer Boutique probiert ein Mädel, dass mit ihrer Freundin einen saarländischen Akzent spricht, eine Jeans in Size 1 an. "Are you Modeling?" fragt die Verkäuferin. "I think, I’ve seen your face somewhere." "Yes, I recently did a sports campaign" antwortet sie. So so, von Saarlouis in die große weite Welt. Es gibt ihn noch, den american dream. 
Über die Bleeker Street geht es an den Shops und Bars, in denen die Stühle noch auf den Tischen stehen, hinauf bis Chelsea und Meatpacking District. Hier soll es neben kleinen feinen Design Läden auch ab und zu einen Schweinekopf am Straßenrand geben. 
Wie schon beim Hinflug bleibe ich dem Motto "Alle guten Dinge sind zwei" treu und fahre auf ein Neues ins Moma. Simone hat von einem Bekannten einen NY City Pass organisiert, mit dem ich freien Eintritt habe. 
Ich fahre direkt in die 5. Etage und widme mich den großen Künstlern. 
Was ich hier sehe, ist definitiv Superlative! Neben van Goghs Sternennacht und Edward Munchs Schrei gehen die Picassos, Roussaus, Dalis, Giacomettis und Klimts beinah unter. So viele großartige Gemälde auf so engem Raum habe ich noch nie gesehen.
NY heißt nicht zu Unrecht Hauptstadt der Welt. Hier kommen alle Nationen zusammen und setzen eine riesige Menge Kreativität frei, sodass man von Kunst, Kultur, Musik und Mode geradezu überschwemmt wird. 
*
Abends werfen Simone und ich uns in Schale. Das kleine Schwarze wird ausgepackt. Eigentlich wollte ich es Silvester schon anziehen, aber die Deutsche Post hat leider nicht pünktlich geliefert. "You look so great, girls!" lobt Annelise uns. 
Simone setzt sich noch Peter, den Peacock auf den Kopf und so stöckeln wir zum Velvet Underground, einer Bar mit Live Rock-Reggae-Musik, in der wir uns mit zwei Bekannten von Simone treffen. Nr. 1: Antonio, ein 23-jähriger Mexikaner, der vor 7 Jahren nach Amerika kam, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Simone hat ihn auf einem Lufthansa Event kennen gelernt, auf dem er gekellnert hat. Als Bartender für verschiedene Clubs verwirklicht er also seinen American Dream. Dank seiner Connections in der Party Szene, soll Der Mexikaner mit den gegelten Haaren und dem hellblauen Hemd uns heute in "The Box" bringen, einen Bourlesque Club, von dem ich sogar schon in Hamburg gehört habe. Der Geschäftsmann schlägt uns einen Deal vor: "Ihr gebt mir 50$ pro Person und ich hole euch dafür den ganzen Abend Getränke." Das klingt verlockend. Für 50 $ würden wir regulär wahrscheinlich nur 3 Getränke pro Person bekommen. Wir sind dabei! 
Antonio hat ein Auge auf Simone geworfen und klebt an ihren Fersen. Das beruht leider nicht auf Gegenseitigkeit und als Antonio erzählt, dass er illegal in den USA ist, rutscht Simone ein "But I am not gonna merry you!" raus. Bringt ja auch gar nichts, da sie ja selbst keine Amerikanerin ist, fällt ihr im nächsten Moment ein. 
Ich mag Antonio nicht besonders. Er ist einer der Typen, die glauben, die Welt liegt ihnen zu Füßen. Dank meines nicht vorhandenen Poker Face, sieht er mir an, was ich denke und sagt immer wieder: "Come on, you don't know me, give me a chance!" 
Zum Glück ist Alex als unser zweiter Begleiter dabei. Alex ist ein Deutscher, den Simone über einen gemeinsamen Freund kennt. Er arbeitet in der Strategie und Beratungsabteilung der Deutschen Bank und ist grad für vier Wochen in New York. Damit hätten wir auch schon unser gemeinsames Thema. "Was er genau bei der Deutschen macht?"- "Restrukturierungen und Teamzusammenführungen". "Wie das genau abläuft?" - Er nimmt eine Serviette vom Tisch, reißt sie in 5 Teile und legt diese nebeneinander. Davon schiebt er drei wieder zusammen und die anderen zwei zerknäult er in seiner Hand. Diese Geste hat er sich sicher bei einem seiner Projektleiter abgeschaut. Schade, bis gerade war er mir noch sympathisch. "Ich begleite selbst gerade ein Outsourcing Projekt, bei dem wir empfehlen, 9 Mitarbeiter zu entlassen und finde diese Tatsache gar nicht schön." sag ich. Er antwortet mit dem klassischen "Wenn wir es nicht machen würden, würde es jemand anderes machen"
Als wir das Velvet Underground verlassen, springt er nach vorn,beugt sein vorderes Knie, dreht sich um und zeigt mit seinem Finger auf uns. Er erinnert mich an Austin Powers. Fremdschämen! Mir gehen beide Männer ziemlich auf die Nerven. Gut, dass Simone noch da ist. 

Antonios Deal hat einen Haken: wir müssen direkt zur Eröffnung um 12 Uhr zur Box. Leider bleibt die Tür erst Mal geschlossen und wir frieren in der Kälte. "Der DJ spielt noch nicht." sagt der Bouncer und unser kleiner Promoter versucht uns zu besänftigen. Kurz bevor das Zähneklappern lauter als der Verkehr wird, können wir eintreten. Antonio holt uns 3 Champagner und 1 Cuba Libre für Alex. Cheers! Eigentlich mag ich Champagner nicht besonders. Antonio läst sich jedoch nihct davon abhalten, immer wieder Nachschub zu holen, sobald einer von uns (meistens er) das Glas geleert hat. Zwischendurch kann ich ihn zu ein paar Flaschen Wasser überreden, dann gibt’s weiter Edel-Puff-Brause. In die VIP Loge schleppt er uns natürlich auch. Alles toll, alles wunderbar exklusiv, alles nur wegen ihm…blabla…toller Hecht.
Zumindest hält der Club, was er verspricht. Um 1 Uhr beginnt die erste 15-minütige Show. Eine wirklich attraktive schwarze Frau in Leder Leggins und einem Schal als Oberteil moderiert die Tänzerinnen an. Am krassesten finde ich eine stämmige Russin, die in Polizistenuniform an einer Eisenkette turnt.
Dann geht der Vorhang zu und der DJ spielt wieder Musik. Insgesamt gibt es drei Shows, de alle sehr beeindruckend sind.
Gegen 4 Uhr verabschieden Simone und ich uns. Antonio ist irgendwie eingeschnappt. Keine Ahnung, was er sich erwartet hat.
Zu Hause lasen wir bei einem Schinkenbrot lachend den Abend revue passieren und fallen ins Bett.

Freitag, 25.01.2012
Kater, eine „normal“ große Pizza und sparkling Water

Nicht der 21.12. sondern der 25.01. ist der kürzeste Tag des Jahres. Um 14 Uhr öffne ich langsam die Augen. Zum Frühstück ordern wir eine Spinat Pizza mit Prosciuto in der kleinsten Größe „Medium“. Nach 20 Minuten steht ein kleiner Mann mit einer Familienpizza vor der Tür. 
Ich öffne den Karton und staune. Ein Viertel entspricht ungefähr der Größe einer großen Pizza in Deutschland. Also haben wir quasi 4 Pizzen vor uns liegen. Mein Hunger Management ist überfordert. 
Wir nehmen den Karton zusammen mit einer großen Rolle Zewa, deren Blätter übrigens auch länger sind als in Deutschland, mit ins Bett und schauen Nashville. In der Serie versuchen Country Sänger sich gegenseitig zu übertrumpfen und natürlich gibt es viele Liebesdramen. 
Als Simone am späten Nachmittag das Fenster öffnet, liegt plötzlich eine beachtliche Menge Schnee auf den Dächern von Queens. Wann ist das denn passiert? Wir sind verwirrt. Trotz des flauen Gefühls im Magen ziehen wir unsere Mäntel über die Pyjamas und die Winterstiefel an die nackten Füße und schlurfen die 200 Meter zum Deli, um kaltes Sparkling Water zu kaufen. 
Etwas verlegen betreten wir den Laden und entschuldigen uns für die letzte Nacht, in der wir aus dem Taxi in den Deli fielen, um laut gackernd durch die Gänge zu torkeln. Der Deli Mann mit der Cappi grinst schief. Er hat ein absolutes Pokerface und ich kann nicht sagen, ob er die Entschuldigung annimmt. Wir fragen uns, warum der Deli Deli heißt?  Es kann genauso wenig von Delikatessen wie von Delivery die Rede sein. "Kalte Speisen zum Mitnehmen" schlägt das Internet vor. Aha.
Dieser Gang bleibt die einzige Aktivität des Tages. Simone meint, dass sie im ganzen halben Jahr nicht einen Tag so verstreichen lassen hat und freut sich, wie gut dies tut. 
Ich glaube, seit dem ich 8 Monate lang gereist bin, fällt es mir leicht, genau das zu tun, worauf ich gerade Lust habe, egal an welchem Ort ich bin. 

Samstag, 26.01.2013
Top of the Rocks, Central Park und Museum of National History

Heute wartet neben mir ein Mann auf die U-Bahn, der einen Text für eine Rolle übt. Er sieht so aus, als sei er auf dem Weg zu einem Casting, vielleicht fürs Theater, vielleicht für den Film. Als Pizzabäcker/Mafiosi/Gärtner oder Autoverkäufer könnte ich ihn mir gut vorstellen.
Er hat jedenfalls viel Zeit zum üben. Die Bahn der Linie E lässt mal wieder ewig auf sich warten. Das ist die New Yorker Subway - sie kommt wann sie will. Zumindest kann sich ohne Fahrplan niemand über Verspätungen aufregen. 
Es vergeht eine kleine Ewigkeit und dementsprechend ist der kleine Rimowa Koffer alias Metro Train voll bis obenhin. Ich merke, dass mein Kreislauf noch nicht wieder 100 % läuft. Der gestrige Katertag in der Waagerechten hat mir Energie genommen. Ich lehne mich so gut es geht an eine metallene Haltestange und hoffe, dass bald ein Sitzplatz frei wird. Zum Glück bin ich in einem Express Train, der nur an wenigen großen Stationen auf dem Weg nach Manhattan hält. Meine Knie sind weich wie Pudding und so langsam rutsche ich an der Haltestange runter. Wenn ich jetzt ohnmächtig werden würde, würde mir sicher niemand helfen. Die Stadt ist zu groß und anonym für Nächstenliebe.
Geschafft, endlich komme ich an der 50th Street am Rockefeller Center an. Ich stolper aus der U-Bahn hoch und sehe das goldene M. Mein Retter in der Not. Zum Glück ist hier keine Schlange und ich bestelle einen kleinen Kaffee ohne Zucker, der groß und süß ist und mit dem ich mich in einen riesigen Sessel setze. Erst Mal die Beine hoch legen. Puh, was ist denn hier bitte los? Ich sehe auch schon ganz verschwommen. Nicht gut, nicht gut. Das ist entweder ein ausgewachsener Kater oder die Nebenwirkungen der Dayquil Medikamente, die ich gegen meine Erkältung nehme. 
Nach einer halben Stunde, in der die Putzfrau zwei Mal um mich herum gewischt hat, wage ich es aufzustehen und laufe draußen eine Runde um den Block. Die kalte frische Luft tut gut.  Vor dem Rockefeller Center liegt ein roter Teppich. Das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich schreite also in das Gebäude und sehe das farbenfrohe Logo der NBC Studios, dass allgemein an den Schweif eines Pfaus und mich im Speziellen an Peter Peacock erinnert. Außerdem kommt mir Kenneth, der Portier von 30 Rock in den Kopf, der Serie, in der Alec Baldwin im 30. Stock dieses Gebäudes eine Comedy Show produziert. 
Ich fahre mit dem Aufzug hoch bis auf die 67. Etage zum Top of the Rocks. Die Aussicht ist einfach unglaublich und lässt die Größe New Yorks zu meinen Füßen etwas besser  erahnen. Die Sonne scheint hoch über dem Empire State Building, das heute Mal nicht von King Kong besetzt ist und der Central Park strahlt im Schnee. Wow, what a city! New York ist wahrlich gigantisch! 

Zurück auf dem Boden der Tatsachen laufe ich über die Avenue of America vorbei an den Pferdekutschen für Romantiker hinein in den Central Park. 
Die Bäume und Wiesen sind mit Schnee bedeckt, was das Spazieren vor der Kulisse der Skyscraper noch schöner macht. Doch das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. In der Mitte des Parks hat Redbull einen Funpark für Snowboarder aufgebaut. Sie springen über Kicker und landen meist auf den Füßen. Der Park ist ein wahres Wintersportparadies. Auf einem Hügel fahren Kinder Schlitten und die Langlauf Loipe ist gut besucht.

Der Trubel geht weiter im Dog Park, in dem Hundebesitzer ihre vierbeinigen, meist mollig eingewickelten, Freunde frei laufen lassen können. 
Ich laufe weiter über den See, der ganz originell "the lake" heißt und komme in "the ramble", einen dichten Wald, der auf den kleinen Hügeln fast etwas märchenhaftes hat. Hierhin haben sich Scharen von Eichhörnchen zurück gezogen, die vor mir erschrocken durch das Laub und Getsrüpp springen. Bis auf einen Jogger, bin ich gerade ganz alleine im Park. Das ist ein schönes Gefühl, in dieser aufregenden Hektischen Stadt. 
Als ich beim "reservoir", dem ganz großen See ankomme, habe ich die Hälfte des Parks, also eine Fläche der Größe Monaccos abgelaufen und verlasse den Park an der 81. Street, um Simone, T Rex und Co im Museum of National History zu treffen.
Simone braucht noch etwas Zeit. Sie hat gerade ihr Fahrrad durch halb NY zu der glücklichen Käuferin gebracht, die sie leider vor verschlossener Tür warten lässt. 
Die unteren Etagen des Museums, in denen unteranderem die Vägel der Welt und Asiatische Menschen ausgestellt sind, beeindrucken mich wenig. Der Boden und die Glaskästen erinnern mich an unseren Chemieraum, Gummiartig, ohne Fenster und aus den 70er Jahren. Plastikfiguren und ausgestopfte Tiere können mich auch nicht beeindrucken.
Als Simone eintrifft, gehen wir erst Mal in das Museums Café, essen Chips und trinken Cola. Anschließend spazieren wir quatschend durch die oberen Etagen, die mit den rekonstruierten Dinosaurier-Skeletten etwas beeindruckender sind. Hier wurde übrigens „Nachts im Museum“ gedreht.
Ich entscheide mich dafür, heute Abend zu hause zu bleiben und nicht mit Simi und den Praktikanten-Kollegen der Lufthansa feiern zu gehen. Mein Kreislauf-Anfall vom Morgen hat mich etwas schockiert und ich möchte Morgen noch etwas vom Tag haben.

Sonntag, 27.01.2013
Brooklyn Bridge, Staten Island Ferry, Ground Zero

Um 7 Uhr klingelt der Wecker. Simone muss schnell zu Ende packen. Heute mittag geht ihr Flieger nach Hawai. Die Flugzeit ist länger als mein Rückweg und dabei ist sie immernoch innerhalb der USA. Wir frühstücken zusammen und nehmen Abschied mit dem Wissen, dass wir uns schon sehr bald in Deutschland wieder sehen.

Ginge es nach meiner Kleidung, so würde man heute vermutlich eher auf Skiurlaub als auf City Sightseeing tippen. Unter meine 3 Paar Leggins habe ich noch eine Strumpfhose gezogen. Obenrum wieder die üblichen 5 Lagen. Dieses Outfit brauche ich heute auch. Schließlich werde ich über die Brooklyn Bridge laufen und mit der Staten Island Ferry fahren. Es wird also windig.

Auf dem Weg zur Brücke laufe ich neben einer Oma mit rosa Filzhut, die mich anlächelt und sagt: "I hope, you dressed warm enough." Na darauf kannste an, erwider ich und füge "at least it's sunny" hinzu. "We still like it better in summer" spricht sie mit der Stimme der New Yorker. Außerdem warnt sie mich vor den Radfahrern, die tatsächlich in einem Affenzahn über die vereiste Brücke sausen. Die Drahtseile, die die Masten der Brücke halten, werfen ein symmetrisches Schattenmuster auf den Boden.   

So verlasse ich die Brücke und tauche ab in die Dunkelheit des Broadways. Es ist gerade Mal 10 Uhr am Sonntagmorgen und die Stadt, die niemals schläft, ist ausgesprochen ruhig. Bei einem Straßenhändler kaufe ich eine Krone der Freiheitsstatue aus Schaumstoff zum auf den Kopf setzen. "2 für 5$" sagt er. "Aber ich bin doch nur allein hier" sage ich. Die 3$ Einzelpreis bin ich nur bereit zu zahlen, wenn der kleine Chinese ein Foto mit mir macht, auf dem wir beide diesen bescheuerten Hut tragen. "Warum?" "Na, weil‘s lustig ist." Widerwillig willigt er ein und ein deutsches Pärchen knipst den Schnappschuss. "Geil" sagt der Kerl, der nicht merkt, dass ich ihn verstehe. Meinen deutschen Akzent habe ich auf der langen Reise verloren. Annelise, Simones Mitbewohnerin meint, ich habe einen Akzent, aber er ist nicht Deutsch. Und auch nicht Französisch, wie Simones Aussprache oft bezeichnet wird. 

Ich stopfe das Schaumstoffding in meine Handtasche und laufe zur Wall Street. Hier im Financial District steht eine riesige Skulptur eines schnaufenden Bullens. Ich fotografiere eine Gruppe Asiaten, die sich gegenseitig vor dem Bullen fotografieren. Offenbar bringt es Glück, die Weichteile des Tiers zu streicheln, sie sind schon hellgolden im Vergleich zur dunklen Farbe der restlichen Skulptur. Darüber freuen sich die Asiaten. Ich bin grad glücklich genug und laufe weiter. 

Am Fähranleger angekommen, werde ich wieder von der Sonne gewärmt. Vor der Wartehalle stehen Männer, die mir einen Helicopter Rundflug oder ein Ticket für die Freiheitsstatue verkaufen wollen. Ich mag sie, sie erinnern mich an die Straßenverkäufer in Südostasien. Aber kaufen werde ich nichts. Die Fähre nach Staten Island ist kostenlos und lässt vorerst auf sich warten. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass der junge Typ neben mir eine Zigarette aus Lego an die Kapuze seiner Jacke trägt.  Die Kapuze sitzt auf seinem Kopf und es sieht beinah aus, als ob die Kippe hinter seinem Ohr klemmt. Crazy New York – style as you like.

Als die Fähre New York den Rücken zukehrt, habe ich einen großartigen Blick auf die Skyline der Stadt. Und da taucht auch schon die Freiheitsstatue zu unserer Rechten auf. Sie schaut stolz nach oben und hält die Fackel hoch in die Luft. Irgendwie wirkt sie kleiner als gedacht. 
Auf Staten Island laufen die Touris alle runter vom Boot, drehen eine Runde in der Wartehalle und laufen wieder hoch aufs nächste Boot. 

Jetzt habe ich plötzlich noch 2 Stunden Zeit bevor ich mich auf den Weg zum Flughafen machen muss und bin tatsächlich ganz in der Nähe vom World Trade Center. Die Besucherstürme halten sich in Grenzen und so besichtige ich zuletzt die Sehenswürdigkeit, die zuerst ungesehen blieb. Der Sightseeing Kreis schließt sich. 

Der Ground Zero ist sehr beeindruckend. Fotos können kein Gefühl dafür vermitteln, wie riesig die quadratischen Krater sind, die den ehemaligen Umriss der Twin Towers umfassen. In jedem der zwei schwarz gekachelten "Pools" ist in der Mitte ein weiteres quadratisches Loch. Es geht herab in die Tiefe. Damit keine Besucher hinein fallen, sind die Pools durch ca. 1,40 m hohe Mauern abgeschirmt. Von Ihnen herab fließt Wasser, dass an den Poolwänden bis hinunter an den Grund des zweiten Lochs strömt. 
Auf den Mauern liegen Eisenplatten, in die die Namen der Opfer der Terroranschlags vom 09.11.2001 graviert sind. Erst jetzt wird mir bewusst, wie viele Menschen damals umgekommen sind. Es ist schlicht unvorstellbar, wie zwei Hochhäuser mitten in dem belebten Manhattan einstürzen können. Dieses Denkmal wird mir definitiv im Gedächtnis bleiben. 
Ich mache einen letzten Handtaschen Shopping Versuch im Century 21 am WTC und muss leider feststellen, dass es die Handtasche auch hier nicht mehr gibt. Dann bleibt die Kreditkarte eben im Portemonnaie, auch gut.

Au dem Rückweg setze ich mich in einen Asia Imbiss und bestelle „Beef with Eggplant“, dass ist ein grün-weißliches Gemüse aus Asien. Als ich mir das Tablett mit der Styropor-Schachtel vom Counter erwartet mich das Grauen: braune glänzende Pampe mit Reis. Statt Eggplant haben sie Aubergine genommen und Glutamat ist das einzige Gewürz. Igitt ist das ekelig! Aber ich hab Hunger und keine Zeit, das Essen zurück gehen zu lassen. Also rein damit. Die alte Frau  mit den schmierig roten Lippen und dem blauen Lidschatten am Nebentisch lenkt mich wenigstens ab. Sie fragt, ob ich Fotografin sei, wegen meiner verkratzten und verbeulten Kamera, die aus meiner Tasche guckt. Öhm, nee.
Die Amerikaner verwickeln dich stets in ein Gespräch. Ob es ihre oft angekündigte "oberflächliche" Art oder die Einsamkeit einer Millionen Stadt ist, kann ich nicht sagen. 

Anneliese und Evan sind jedenfalls total herzlich, als ich mich von ihnen verabschiede. Sie selbst sind noch nie mit der Staten Island Ferry gefahren und haben ebenso noch nicht den Ground Zero besucht. Sie seien zu beschäftigt mit der Arbeit. Was sie gerade machen? Sie gucken einen Film und bestellen etwas zu essen. 
Ich glaube der New Yorker kocht in der Regel nie.

So kehre ich New York den Rücken zu und frage mich, ob ich mich in der Hauptstadt der Welt heimisch fühlen könnte? Ich glaube, es würde mir schwer fallen. Zum ersten Mal finde ich eine Stadt, die ich besuche, zu groß. 
Dabei sind es nicht Mal die Entfernungen, die mich stören, sondern eher die Höhe der Häuser. In NY scheint die ganze Zeit die Sonne aber in Manhattan ist es immer dunkel. Die Wolkenkratzer nehmen jeden Sonnenstrahl und so langsam leuchtet es mir ein, warum die Vorstandsetagen immer ganz oben sind. Wer also keinen Platz an der Sonne besitzt, schüttet selbst bei strahlendem Himmel wenig Endorphine aus. In Hamburg hat sich die Sonne Anfang Januar 10 Tage lang hinter den Wolken versteckt. Suchanzeigen wurden sogar in der Zeitung gedruckt. Das war schlimm. Allerdings ist es schlimmer, wenn die Wolkenkratzer keine Wolken zum Kratzen haben und die Sonnenstrahlen in Manhattan nur Vorstandspopos wärmen. 
Dennoch war die Reise grandios, vor allem, weil ich die gute Simone besuchen konnte. Vielen Dank, meine Liebe! 
Ich komme sicher wieder!