25.08.2011, Donnerstag
Ritz for Backpackers, Melbourne
Ich mag Melbourne. Ich mag den Stadtteil St. Kilda mit den vielen kleinen Cafés und alternativen Menschen. Ich mag das Hostel mit unglaublich guten Free Pancakes zum Frühstück. Und ich mag den Heißlüfter, der gerade warme Luft in unser Dreibett-Zimmer bläßt. Leider ist hier wirklich der Winter zu spüren. Heute habe ich schon eine Frau mit Handschuhen an der Bushaltestelle stehen sehen. Ich muss mir vielleicht noch eine günstige Jeans kaufen, da die dünnen Stoffhosen nicht so gut gegen die Kälte geeignet sind.
In meinem Zimmer sind zwei Irinnen, Kate und Orla. Orla ist heute 24 geworden und das wird natürlich gefeiert. Zum Glück nicht nur heute, sondern auch morgen. Denn heute bin ich zu k.o. und muss Schlaf von der Greyhound-Nachtbusfahrt nachholen. Morgen gibt es dafür eine Schoolgirl Party und Orla hat schon angekündigt mir bei meinem Outfit Mangel auszuhelfen. Statt Partykleidchen hab ich ja eher Funktionsjacken in meinem Backpack. Sowas braucht übrigens kein Mensch, zumindest kein normaler Backpacker.
Viel habe ich heute nicht gemacht. Bis zum Mittag hab ich im Hostel auf mein Zimmer gewartet. Danach war ich kurz St. Kilda erkunden. Meine Füße und mein Kopf sind nach Brisbane und Sydney etwas zu müde, um jeden Tag etwas Neues zu sehen. Morgen geht’s hoffentlich frisch erholt auf zu neuen urbanen Entdeckungen.
29.08.2011, Montag
The Ritz for Backpackers, Melbourne
Hier gefällt es mir. Hier könnte ich länger bleiben. Ich wohne in St. Kilda, einem mit Bars und Restaurants gefüllten eher alternativen Stadtviertel, das ca. 20 Minuten vom Zentrum Melbournes entfernt liegt.
In meinem Hostel wohnen fast nur Leute, die für eine längere Zeit hier sind. Die meisten von ihnen arbeiten in einer Bar oder einem Café. Arbeit zu finden ist hier wirklich einfach. Mir wurde heute auch schon angeboten in einem Hotel zu kellnern, als ich meine irische Roommate Gemma begleitete, die dort ihre Arbeitskleidung abgab. Schließlich fliegt sie morgen zurück nach Irland, mit einem kleinen Zwischenstopp in L.A. und Mexiko.
Neben Gemma teile ich mir mein Zimmer mit Orla, einer weiteren Irin. Nach dem Studium sind sie und vier andere Mädels zusammen nach Australien gekommen und zusammen gereist bis sie in Melbourne angekommen sind. An das irische Englisch musste ich mich erst Mal gewöhnen. Aber mittlerweile verstehe ich sie recht gut.
Im Gegensatz zu Brisbane und Sydney hat Melbourne das gewisse Etwas, was den anderen Städten fehlte. Die Menschen, die hier durch die Straßen laufen, sehen interessant aus. Die Cafés sind individueller, es gibt viele Märkte, Straßenkünstler und einige mit Graffiti bemalte Walls.
Die Chapel Street ist vollgepackt mit kleinen Second Hand Läden und Stores, in denen Designer ihre selbstgemachten Schmuckstücke anbieten. Ich habe es nicht geschafft, an einem Tag alle interessanten Läden abzuklappern, so weitläufig ist sie. Bei den ganzen schönen Dingen bin ich etwas wehmütig geworden, da mein Rucksack einfach nicht mehr Klamotten aufnehmen kann. Ich glaube, das ist ein Grund, warum mehr Männer als Frauen lange reisen. Frauen vermissen einfach ihren Kleiderschrank und die Möglichkeit Handtasche und Schuhe auf das Kleid abzustimmen.
Zumindest eine Jeans und ein paar Leggins habe ich mir gekauft, da das Wetter in Melbourne nicht für meine luftigen Chino Hosen gemacht ist. Auch wenn die Sonne scheint, so schafft sie es nicht die Luft über 22 Grad zu erwärmen. Und wenn der Wind durch die schattigen Gassen der Innenstadt weht, fühlen sich diese 22 Grad definitiv kälter an.
Das Sushi ist hier ziemlich teuer und die Auswahl längst nicht so groß, wie in Brisbane. So bin ich nach Sushi und Seafood wieder auf Fleisch umgestiegen. Es gibt hier eine Restaurantkette, die sich „Grilled“ nennt und sie werben damit, „healthy burger“ zu verkaufen. Da ich ja nun kein Freund von Burgern bin, hab ich dem Braten zuerst nicht getraut. Nachdem ich aber gestern ein perfekt gebratenes Steak in einem getoasteten Ciabatta Brötchen mit einer Menge Ruculasalat, frischen Tomaten, Zwiebeln und Kürbismouse probiert habe, bin ich angenehm positiv überrascht und könnte durchaus zu einem Burgerfan werden.
Bei „Grilled“ gibt es leider kein Lunch Special. Dafür bietet der Pub im Einkaufszentrum über der Central Station am Montag und Mittwoch ein Steak + Pommes + Salat für nur 9 $ (ca. 6,50 €) an. Bei dem unschlagbaren Preis, kann man das etwas zähe Stück Rind auch verzeihen.
Statt Touren durch die freie Wildbahn zu machen oder mein Leben mit Bungee etc. aufs Spiel zu setzen, gebe ich nun mein Geld für Essen und Trinken aus. Bei den unzähligen Bars ist das wirklich nicht schwer. Gestern bin ich mit Orla und Marc, einem Engländer, der immer einen Hut trägt und Zähne hat, die so schön gelb sind wie die Sterne, zuerst in einer Bar mitten auf dem Yarra River gewesen. Dort haben wir es uns mit Cider, einem BBQ Würstchen und Michael Jackson Mucke gut gehen lassen. Später ging es in eine Roof Top Bar, die sich „The Curtain“ nennt. Über den Dächern von Melbourne schmeckt das Bier besonders gut und dank der wärmenden Heizpilze, ließ es sich dort besonders gut aushalten.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hostel sind wir am späten Abend ins Vineyard gegangen, einem Mix aus Restaurant und Kneipe, in dem Sonntagabend Hochbetrieb ist. Das Publikum war bunt gemixt und der Altersdurchschnitt bei angenehmen 25-30 Jahren. Orla, Gemma, Holly, Ruth und Laura ließen ihrem Irischen Frohsinn freien Lauf und wir genossen die zur Abwechslung ein Mal gute Musik auf der Tanzfläche.
Rhianna, Pitbull, Lady Gaga und Co. hängen mir mittlerweile wirklich zum Hals raus. Ich habe das Gefühl, es gibt eine Playlist, die in allen Backpacker Pubs in Australien gespielt wird. So auch im Elephant & Wheelbarrows, in dem wir am Freitag gefeiert haben. Freitag ist Orla 24 geworden und passender Weise war im Hostel „Schoolkids Party“ angesagt. Das Motto haben die Engländer und Iren, die den Großteil unserer Hostelbevölkerung ausmachen, perfekt umgesetzt und sich mit Nerd-Brillen, weißen Blusen, Krawatten, Jackett und Kniestrümpfen als Schulmädchen bzw. Schuljunge verkleidet. Unvorbereitet, wie ich war, bekam ich von Orla eine Nerdbrille und Gemma flocht mir die Haare zu zwei französischen Zöpfen.
08.09.2011, Donnerstag
Ritz for Backpackers, Melbourne
Melbourne hat mich fest im Griff. Oder besser gesagt: Das „Ritz for Backpackers“ hat mich fest im Griff. Das Ritz ist mit Abstand das beste Hostel, in dem ich bisher gewohnt habe. Nicht weil es ultra sauber ist, nicht weil es Free WiFi, Free Pancakes und Free BBQ gibt. Vielmehr sind es die Leute um mich herum, die mich immer wieder zur Rezeption laufen lassen, um meinen Aufenthalt zu verlängern.
Leider sind Orla und Gemma, die beiden Irinnen schon wieder ausgezogen. Dafür hat sich die blonde deutsche Mädelstruppe mit Hanna, Petra und Manu nur um Kathi und Jane verkleinert, die sich ein Auto gekauft haben und weiter nach Adelaide ziehen.
Neben den Mädels halten mich die Franzosen Bric, Quentin, Adele, Anaise, Piere und Romain vom schreiben ab. Außerdem sind der Chilene Pampa und diverse Engländer/Iren/Schotten daran schuld, dass ich nicht mehr am PC sitze.
Stattdessen gehen wir auf der Chapel Street in Vintage Stores Shoppen (oder zumindest windowshoppen). Wir essen Sushi bei einem Laden, in dem jede Rolle nur 2 $ kostet. So haben Pampa und ich uns letztens 7 Rollen geteilt. Danach wär ich dann fast nach Hause gerollt. Ist das Wetter mal wieder etwas zu kalt, gehen wir in Museen, wie das Museum of the moving image, in dem wir Mario Kart, Tetris und Pacman gespielt haben und uns als Schattenbild auf eine Leinwand projizieren lassen haben.
Aber das Coolste ist auf jeden Fall die Matrix Kabine, in der sich eine Kamera in jeder Ecke befindet, die 20 Sekunden lang ein Bild von dir aufnimmt. Schaut man sich den Film dann an, sieht es aus wie bei Matrix in der Kampfszene, wo die Schauspieler in der Luft hängen. Das Filmchen landet dann kostenlos und in Windeseile im E-Mail Postfach.
Auch die meisten anderen Museen sind for free. Allerdings hat mich die Ian Potter Gallery und das Museum of contemporary art nicht so sehr beeindruckt, wie in Sydney. Dabei ist Melbourne doch „Kulturhauptstadt“ Australiens. In der National Gallery of Victoria gabs neben den Designklassikern unter den Möbelstücken allerdings auch Picasso und Andy Warhol zu bewundern.
Bemerkenswert war auch das wirklich gesprächige Museumspersonal. Wir wurden andauernd angequatscht, gefragt wo wir her kommen oder einfach nur als seelischer Mülleimer von einem Wächter genutzt, der sich mal kurz über eine Schulklasse aufregen musste.
Jedenfalls die Backpackerkneipenkultur kann sich hier sehen lassen. Am Dienstag gibt es im Hostel immer Wein, Käse und Cracker umsonst und danach ziehen so ziemlich alle weiter ins Cushion oder ins Tongue and Groove, wo zwar Lady Gaga etc. läuft, aber wie das so ist: wenn die richtigen Leute da sind, dann kann man auch dazu feiern. Am Wochenende hatte ich den Goon-Hangover meines Lebens bzw. meines Australien Daseins. Hanna, Niklas und ich haben uns einen Kanister (4 Liter) geteilt und davon auch noch einige Tassen verschenkt. Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass da noch was anderes als Wein drin sein muss… Jedenfalls erfuhr ich dann heute Morgen beim Frühstück, wie die letzte Stunde des Abends verlaufen ist. Und mein Kopf tut nach viel frischer Luft und einer Aspirin (um 23.14 Uhr) immer noch weh.
Immerhin sieht mein Kopf nun wieder ansehnlich aus, nachdem mir Lisa, eine Friseurin, die hier im Hostel wohnt, grad die kaputten Splissenden abgeschnitten hat. Die 15 $, die ich ihr geben wollte, hat sie mit einem „Happy Birthday“ abgelehnt. Schön und gut - das ist Backpacker Style! Dazu hab ich heute auch noch ein Shampoo und Conditioner einsam verlassen in einer Dusche gefunden und im Reject Shop günstige Süßigkeiten gekauft.
Kostenlos sind auch die Pancakes, die es morgens bis 10 Uhr gibt. Meistens verschlafe ich sie jedoch. Stattdessen geht’s dann zum Brunch in die Stadt. Nach zwei Monaten habe ich heute mein erstes „english breakfast“ gegessen. Speck, Würstchen, Hash Browns, Poschierte Eier, Avocado etc. haben mich so satt gemacht, dass ich bis auf etwas Schoki und Bon Bons nix mehr essen konnte.
Apropos Essen: in Melbourne gibt es auf jeden Fall das mit Abstand günstigste Obst zu kaufen. Auf dem Victoria Market, der außerdem Fisch, Fleisch, Käse, Anti Pasti und Krims Krams bietet, wird einem das Kilogramm Äpfel schon für 1 $ hinterher geschmissen.
Gerade kam mein Roommate Ben rein und erzählte mir, während er sich ein Glas Wodka einschenkte, dass Melbourne in einem Ranking zur besten Stadt der Welt gewählt wurde. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Auch ich könnte mir vorstellen, hier einmal zu leben. Wenn man die richtige Garderobe dabei hat, machen einem die kalten Temperaturen im Winter sicher auch nichts mehr aus.
Erst gestern habe ich Ben mit Eva in einer etwas delikaten Situation erwischt, als ich nichtsahnend am Nachmittag in unser sonst leeres Zimmer kam. Aber wie heißt es so schön: „Man gewöhnt sich an alles“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen